Lehrende: Prof. Dr. Jörn Düwel
Veranstaltungsart:
Vorlesung, Seminar
Orga-Einheit: Architektur
Anzeige im Stundenplan:
Arc:OrientTheorie
Anrechenbar für:
Semesterwochenstunden:
2
Standort:
Hamburg
Unterrichtssprache:
Deutsch
Min. | Max. Anzahl Teilnehmer:innen:
- | 85
Leistungsnachweis:
Beschreibung:
Die Bauaufgabe diplomatische Vertretung ist vergleichsweise jung. Sie spielte im 19. Jahrhundert erstmals eine herausragende Rolle, schließlich entstanden seinerzeit die modernen Nationalstaaten in Europa. Die erste Botschaft, die Deutschland baute, wurde in Konstantinopel errichtet. Bereits mit diesem Bau stellte der Bauherr den Anspruch einer besonderen Repräsentationsarchitektur heraus: eine staatliche Selbstinszenierung, die vor allem im Gastland Wirkung entfalten sollte. Innerhalb eines kurzen Zeitraums hatten zahlreiche europäische Länder in der Hauptstadt des Osmanischen Reiches neue, zumeist herrschaftliche Botschaften gebaut. Nicht nur im Rückblick werden produzierte und reproduzierte Selbst- und Fremdbilder erkennbar sowie kulturelle Differenzen offenkundig. Stets waren Botschaften sensible Bauaufgaben. Immer ging es darum, über ihre äußere Erscheinung eine möglichst genaue Vorstellung von sich selbst zu vermitteln, wenn nicht sogar einen politisch-moralischen Geltungsanspruch zu erheben. Zum anderen boten Botschaften Gelegenheit, lokale Besonderheiten der Fremde aufzunehmen, und Reaktionen der Öffentlichkeit zu antizipieren.
Die Architektur des 19. Jahrhunderts war insbesondere geprägt von der Suche nach einem Nationalstil, nach der adäquaten Form nationaler Selbstdarstellung. Dies spiegelt sich auch in den Botschaftsbauten, wenngleich es nicht gelungen war, eine konsistente und programmatisch stabile Repräsentationsform auszubilden. So sehr sich die Akteure im langen 19. Jahrhundert vergeblich bemüht hatten, eine deutsche Architektur zu kanonisieren, so wenig gelang es ihnen im darauffolgenden Jahrhundert, obwohl es wiederum darum ging, Architektur für politische Inhalte identifizierbar zu machen. Und heute?
Heute nutzt Deutschland ebenso selbstverständlich wie stolz Botschaften, die es im 19. Und frühen 20. Jahrhundert bezogen hatte. Die opulenten Residenzen, etwa in Prag, Paris oder Rom stehen außerfrage. Hingegen haben es ausgerechnet Botschaften, die von der Bundesrepublik in den Sechzigerjahren als Sinnbilder eines demokratischen Gemeinwesens gebaut worden waren, schwer. Die diplomatische Vertretung Deutschlands in Wien, von Rolf Gutbrod entworfen, wurde jüngst abgerissen.
Nach Zusammenbruch des Ostblocks und den dadurch ausgelösten Eruptionen entstanden weitere Nationalstaaten in Europa. Für Deutschland bedeutete dies eine besondere Verantwortung für die Aufnahme diplomatischer Verbindungen und der Errichtung entsprechender Repräsentanzen.
Bauwerke, so ein Gemeinplatz, erklären nichts, vielmehr provozieren sie Fragen. In diesem Sinne werden im Seminar die Botschaften historisiert, vor allem als Ergebnis von Erwartungen, Annahmen und Absichten. Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis des jeweiligen räumlichen, sozialen, politischen und kulturellen Zusammenhangs. Nicht zuletzt werden im Seminar auch jüngste Wettbewerbsergebnisse für zukünftige Botschaften Deutschlands untersucht.
Kontakt:
joern.duewel@hcu-hamburg.de
Module:
Arc-M-Mod-104, Arc-M09-0104
|